Therapien gegen Wirbelsäulenschmerzen – Was ist wirklich sinnvoll? Und wann? - Die Sonderseite mit Dr. Harzmann im Interview
Rückenschmerzen beeinflussen häufig unseren Alltag im Beruf, in der Freizeit und Sport. Diese Schmerzen der Wirbelsäule können uns in jedem Altersabschnitt treffen und rauben dann die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Wenn es hier zu schmerzhaften Veränderungen an der Wirbelsäule kommt, kann eine schonende minimalinvasive Wirbelsäulentherapie Abhilfe schaffen.
Darüber sprechen wir mit Dr. Harzmann aus München. Er ist einer der leitenden Spezialisten der Sektion Wirbelsäule in der WolfartKlinik.
Welche Beschwerden an der Wirbelsäule können konservativ, welche mit minimalinvasiver Therapie behandelt werden?
Dr. Harzmann: Grundsätzlich können die meisten Beschwerden an der Wirbelsäule, also der klassische Rückenschmerz, rein konservativ behandelt werden. Am häufigsten ist das beim muskulär bedingten Rückenschmerz nach Überlastungen im Alltag oder Sport der Fall. Schonung und lokale Wärmeanwendungen wirken hier meist schon wahre Wunder. Wenn es jedoch durch Verletzungen oder über den altersbedingten Verschleiß zu strukturellen Veränderungen der Wirbelsäule kommt, sind minimalinvasive Verfahren sinnvoll. Die zur Verfügung stehenden Methoden sind gewebeschonend, schmerzarm und sehr patientenfreundlich. Das Ziel ist hier immer eine adäquate Schmerztherapie und die Verbesserung der Lebensqualität. Letztlich kann man damit oftmals eine größere Operation vermeiden.
Wann ist ein Eingriff an der Wirbelsäule zu empfehlen, wann sogar zwingend notwendig?
Dr. Harzmann: Grundsätzlich müssen nur die wenigsten Veränderungen an der Wirbelsäule tatsächlich rein operativ behandelt werden. Dabei stehen die akuten Verletzungen, zum Beispiel nach Stürzen, im Vordergrund. Ebenfalls dramatisch kann sich eine haltungsbedingte Schädigung der Bandscheibe auswirken, wenn diese ihre strukturelle Unversehrtheit verliert und innere Bandscheibenanteile plötzlich auf eine Nervenbahn drücken. Solche relativen und absoluten Notfälle bedürfen einer zeitnahen operativen Versorgung, um Folgeschäden und Dauereinschränkungen möglichst zu vermeiden. Der bei weitem größere Anteil an Rückenbeschwerden und Wirbelsäulenerkrankungen kann jedoch ohne Operation, beziehungsweise mit Hilfe einer stufenweisen Schmerztherapie oder minimal-invasiven Verfahren behandelt werden.
Was ist der Unterschied zwischen der Wirbelsäulenschmerztherapie und den minimalinvasiven Verfahren?
Dr. Harzmann: Die Schmerztherapie beginnt mit Therapiemaßnahmen der Naturheilkunde, Physiotherapie, Osteopathie und einer entsprechenden Medikation, die schmerzlindernd und häufig auch anti-entzündlich wirkt. Darüber hinaus stehen uns heute spezielle Infiltrationsverfahren zu Verfügung, mit deren Hilfe wir unter Röntgennavigation ganz gezielt Strukturen an der Wirbelsäule behandeln können. Dadurch erkennen wir die Ursachen der Schmerzen und ihre Auswirkungen.
Mit Hilfe dieser Informationen ist es uns dann möglich, minimal invasive Behandlungsansätze zu planen. Das sind zum Beispiel die elektrothermische Verödung von Schmerzbahnen an arthrotisch veränderten Facettengelenken der Wirbelsäule (Thermodenervierung) oder auch Bandscheibenanteile zu „schrumpfen“ (Nukleoplastie) und entzündlich veränderte Nerven zu spülen (Epiduralkatheter). Diese exemplarisch genannten minimalinvasiven Behandlungsstrategien sind belastungs- und komplikationsarm.
Welche Vorteile bietet die endoskopische, so genannte "Schlüsselloch"-Operationstechnik in der Wirbelsäulenchirurgie?
Dr. Harzmann: Grundsätzlich bieten die endoskopischen Verfahren die Möglichkeit, zum Beispiel bei Veränderungen an der Bandscheibe, die Erkrankung durch einen minimalen Hautzugang zu beseitigen. Es ist sogar möglich, größere Bandscheibenvorfälle durch ein feines Röhrchensystem zu entfernen. Die Vorteile für die Patienten sind: Kleinere Narben, eine schnellere Heilung, deutlich weniger Schmerzen und eine schnellere Mobilität.
Man kann bei Rücken- und Wirbelsäulenschmerzen also immer etwas tun?
Dr. Harzmann: Tatsächlich ist es vor allem wichtig, Rückenschmerzen als Warnsignal des Körpers zu erkennen und auch zu respektieren. In den meisten Fällen sind die Schmerzen ein kurzer, wenn auch eindrucksvoller Warnschuss, damit wir erkennen, dass wir unserem Körper zu viel zugemutet haben. Dagegen sollten Rückenschmerzen akuter Art mit Taubheitsgefühl oder sogar Lähmungserscheinungen immer zeitnah und schnell durch den Facharzt abgeklärt und untersucht werden.
Im Zweifelsfall sollte man sich immer eine Zweitmeinung bei einem Wirbelsäulenspezialisten einholen. Optimistisch festzuhalten ist, dass die oft gemachte Aussage, „man könne da nichts weiter tun“, fast ausschließlich immer falsch ist. Machen kann man - mit der entsprechend realistischen Erwartungshaltung - immer etwas.
Zur Person
Dr. med. Hanns Christian Harzmann ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin, Chirotherapie und Osteopathie. Er ist außerdem staatlich anerkannter Physiotherapeut.
Spezialisiert ist er auf:
- Konservative Orthopädie und Osteopathie
- Minimalinvasive Schmerztherapie der Wirbelsäule
- Kyphoplastie (Behandlung von Wirbelbrüchen bei Osteoporose)
- Endoskopische Wirbelsäulenoperationen
- Spezielle arthroskopische Schulter- und Kniechirurgie
Kontakt:
Praxis Herzogpark
Dr. med. Hanns Christian Harzmann
Pienzenauerstraße 31 A
81679 München
Telefon: 089 / 99 89 56 72