Volkskrankheit Adipositas - Die Sonderseite mit Dr. Son im Interview
In Deutschland leidet etwa ein Viertel aller Erwachsenen unter Adipositas. Was viele jedoch nicht wissen: Adipositas – umgangssprachlich auch Fettleibigkeit oder Fettsucht genannt – ist eine chronische Krankheit, die Betroffene nicht allein kontrollieren oder behandeln können. Sie sollten sich in jedem Fall ärztliche Unterstützung suchen. Wir sprechen darüber mit Chefarzt Dr. Son. Er ist Leiter der AMC-WolfartKlinik, zertifiziertes Referenzzentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie.
Was genau versteht man eigentlich unter Adipositas?
Dr. Son: Unter Adipositas verstehen wir eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung von Fettgewebe mit meist krankhaften Auswirkungen. Heute wissen wir, dass Adipositas eine chronische Erkrankung ist. Für Adipositas gibt es viele mögliche Ursachen, oft treten aber mehrere gleichzeitig auf. Dazu gehören etwa fehlerhafte Essgewohnheiten, Bewegungsmangel, fehlerhafte Regulation von Sättigung und Hunger, verschiedene hormonelle oder körperliche Erkrankungen und bestimmte Medikamente. Außerdem können psychosoziale Faktoren, wie beruflicher Stress oder soziale Isolation, aber auch genetische Ursachen zu einer Adipositas-Entstehung beitragen.
Wer gilt als adipös?
Dr. Son: Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Berechnungsgrundlage der Adipositas der sogenannte BMI (Body Maß Index). Hierfür wird das Körpergewicht geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat. Aber wichtig zu wissen: „Adipositas“ sollte nicht mit „Übergewicht“ verwechselt werden. Von Übergewicht spricht man ab einem BMI von 25 kg/m². Als adipös bezeichnen Mediziner Patienten ab einem BMI von über 30 kg/m². Natürlich lässt sich Übergewicht aber als eine Vorstufe zur Adipositas werten. Der BMI-Wert gilt zwar medizinisch gesehen als richtungsweisend zur Diagnose von Adipositas, ist aber meiner Meinung nach nicht allein als Kriterium für die Schwere der Erkrankung entscheidend. Ich bestimme bei meinen Patienten zur Abklärung auch noch weitere Werte, etwa den Bauchumfang und den Taillenumfang.
Warum ist Adipositas so gefährlich?
Dr. Son: Eine lang andauernde Adipositas kann gravierende gesundheitliche Folgen haben. Denn: Es besteht für Betroffene ein erhöhtes Risiko für viele Folgeerkrankungen bei gleichzeitig verminderter Lebenserwartung. Die mit dem starken Übergewicht zusammenhängende Einschränkung in der Beweglichkeit kann etwa Erkrankungen des Bewegungsapparates und Gelenkleiden nach sich ziehen. Adipöse Patienten leiden auch eher als Normalgewichtige an Diabetes, Asthma bronchiale, Schlafapnoe, Bluthochdruck oder Gallenblasenerkrankungen. Vermehrt treten auch Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Herzinfarkte und Schlaganfälle auf. Ein weiteres Problem sind die Vorurteile, mit denen sich adipöse Menschen in unserer Gesellschaft häufig konfrontiert sehen. Sie gelten oft als faul, träge, unzuverlässig und nicht belastbar. Betroffene neigen dazu, diese Vorurteile anzunehmen. Diese seelische Belastung kann wiederum zu einem erhöhten Risiko für psychischen Erkrankungen führen, wie Depression oder Essstörungen.
Wie lässt sich Adipositas therapieren?
Dr. Son: Ich behandle meine Patienten zusammen mit meinem Team interdisziplinär. Das bedeutet: Die Adipositas-Therapie besteht aus Ernährungs-, Verhaltens- und Bewegungstherapie („multimodale Therapie“). Innerhalb einer Ernährungstherapie helfen qualifizierte Ernährungsberater Betroffenen bei der Umstellung der eigenen Ernährungsweise. Hierbei steht übrigens häufig nicht der Verzicht im Vordergrund, sondern der Austausch von Lebensmitteln und Getränken. Bei der Verhaltenstherapie lernen Patienten in der Gruppe, wie unser Verhalten unsere Ernährungsweise negativ beeinflusst und entwickeln gemeinsam mit einem unserer erfahrenen Psychologen Strategien, um dies nachhaltig zu verändern. Begleitet werden diese Maßnahmen durch Kraft- und Ausdauersport. Besonderen Wert legen wir darauf, jeden Patienten individuell zu beraten, zu therapieren und auch in der Nachsorge zu begleiten.
Welche operativen Therapiemöglichkeiten empfehlen Sie?
Dr. Son: Prinzipiell für adipöse Patienten wichtig zu wissen: Eine Operation ist nicht immer sinnvoll. Ob ein operativer Eingriff zusätzlich zu der multimodalen Therapie in Frage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Alter, dem allgemeinen Gesundheitszustand, der Schwere von bestehenden Folgeerkrankungen und den Erfolgsaussichten konservativer Behandlungsmethoden. Ich bespreche die Möglichkeiten einer Operation immer mit jedem einzelnen meiner Patienten nach umfangreicher Abklärung und Prüfung des Individualfalls. Falls eine OP-Indikation besteht, gibt es verschiedene Methoden. Ich führe etwa häufig einen Magen-Bypass oder eine Schlauchmagen-Resektion durch. Meiner Erfahrung nach sind Bypass-Operationen in der Regel noch effektiver als Schlauchmagen-Eingriffe hinsichtlich Gewichtsabnahme und Besserung von Begleiterkrankungen. Die allgemein bekannte Magenband-OP wird übrigens wegen des relativ geringen Effektes und möglicher Langzeit-Komplikationen inzwischen nicht mehr durchgeführt. Grundsätzlich gilt aber: Alle operativen Verfahren sind lediglich eine Unterstützung auf dem Wege des Abnehmens. Sie führen nur in Kombination mit ausreichend Bewegung und einer Ernährungsumstellung auf Dauer zum gewünschten Erfolg. Weiterhin ist nach einer Operation eine langfristige Betreuung erforderlich, die wir ebenso an unserem Adipositaszentrum anbieten.
Unser Angebot:
Multimodale Adipositas-Therapie (Ernährungstherapie, Verhaltenstherapie, Bewegungstherapie, Medikamentöse Therapie)
Endoskopische Verfahren (z.B. Magenballon und OverStitch)
Adipositas-Chirurgie:
- Magenbypass-OP (Roux-en-Y)
- Schlauchmagen – Sleeve Gastrektomie
- Omega-Loop-Bypass (sog. „Mini“-Bypass)
- Single-Anastomosis-Duodenal-Ileal Bypass mit Sleeve (SADI/S)
Kontakt:
AMC Wolfartklinik
Zentrum für Adipositas- u. Metabolische Chirurgie
Ruffiniallee 17
82166 Gräfelfing
Telefon 089 8587-4925
info@adipositas-muenchen.de
www.adipositas-muenchen.de