Schmerzen trotz künstlichem Gelenkersatz: Wann ist eine Nachoperation nötig? - Die Sonderseite mit Dr. Kipping im Interview
Neue Hüfte, neues Knie, neue Schulter: Wer schon einmal einen Gelenkersatz erhalten hat, wägt sich von da an mitunter gerne mal auf der sicheren Seite. Die neue Prothese soll dann am besten für immer halten und die vorherigen Schmerzen ab da Geschichte sein. Doch in manchen Fällen haben Patienten auch trotz künstlichem Gelenkersatz Beschwerden. Welche das sein können, was in diesem Fall zu tun ist und ob es dann wirklich einer Nach- oder Wechseloperation bedarf, weiß der Leiter des Endoprothesenzentrums in der WolfartKlinik München, Dr. Robert Kipping. Seine Patienten operiert der Endoprothetik-Spezialist an der WolfartKlinik.
Warum leiden manche Patienten trotz Gelenkersatz an Beschwerden?
Dr. Kipping: Erstmal vorweg: Ein künstlicher Gelenkersatz zählt heute zu den erfolgreichsten medizinischen Prozeduren, wenn es auch immer wieder Patienten gibt, die nach der OP weiter Beschwerden haben. Heutzutage haben Patienten sehr hohe Erwartungen an das neue Gelenk. Daher ist es sehr wichtig, im Vorfeld einer OP die Chancen realistisch zu bewerten und mit dem jeweiligen Patienten zu besprechen. Auch müssen überlagernde Beschwerdeursachen – wie zum Beispiel ausstrahlende Rückenleiden – von den Gelenkbeschwerden abgegrenzt werden. Generell gilt: Die Gelenkersatz-OP hat zum Ziel, die Mechanik des betroffenen Gelenkes wieder herzustellen. Den „Motor“ des Gelenkes, also die Muskulatur, müssen Betroffene jedoch erst wieder auftrainieren. Das kann zum Teil viele Wochen und Monate in Anspruch nehmen. Einen wesentlichen Anteil am Erfolg des Gelenkersatzes kommt daher der Nachbehandlung und Rehabilitation zu.
Welche Art von Komplikationen können bei Betroffenen auftreten?
Dr. Kipping: Die Ursachen für Beschwerden können vielfältig sein und bedürfen der genauen Analyse. Infrage kommen mechanische Probleme des Implantates, Prothesenlockerungen und eine glücklicherweise eher seltene bakterielle Besiedelung des Kunstgelenkes. Aber auch eine muskuläre Insuffizienz kann gerade im Hüft- und Kniebereich Schmerzen verursachen. Auch Instabilitäten des Kniebandapparates sind zu beachten. Bei der Knieprothetik spielt die Kniescheibe eine besondere Rolle und kann weiterbestehende Beschwerden verursachen. Öfters klagen Patienten gerade im Hüftbereich über Schleimbeutelentzündungen. Aber auch Gefäßerkrankungen und eine Enge des Rückenmarkkanales mit Druck auf die nervalen Strukturen können Beinschmerzen verursachen.
Wann kann bei Problemen mit der Prothese ein zweiter Eingriff nötig sein?
Dr. Kipping: In meine Praxis kommen viele vor allem an anderen Kliniken operierte Patienten, bei denen die Prothese oder Prothesenanteile locker geworden sind. Das ist tatsächlich auch der häufigste Grund für Nachoperationen. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, etwa Materialabrieb oder Knochenverlust. Aber auch eine starke Beanspruchung, zum Beispiel durch intensiven Sport oder starkes Übergewicht, können zur Lockerung führen. Für Patienten wichtig zu wissen: Probleme durch eine lockere Prothese lassen sich in der Regel nur durch eine Nachoperation beheben!
Gibt es klare Fälle, bei denen immer nachoperiert wird?
Dr. Kipping: Bei einer akuten Komplikation oder einem Notfall gilt: sofort nachoperieren! Etwa, wenn bei einem Unfall oder nach einem Sturz ein Knochen im betroffenen Bereich gebrochen ist. Eine OP ist außerdem immer sofort angezeigt, wenn sich das operierte Gelenk infiziert hat. Dies passiert statistisch gesehen bei einer von hundert Operationen. Die meisten Gelenkinfektionen entwickeln sich dabei bereits in den ersten Wochen und Monaten nach OP. Das Gelenk ist dann gerötet, warm, bereitet Schmerzen und ist manchmal auch angeschwollen. Fieber und eine nicht heilende oder nässende Operationswunde können ebenfalls auf eine Gelenkinfektion hindeuten. Wer diese Anzeichen bemerkt, sollte unbedingt sofort ärztlichen Rat einholen! Denn je länger die Bakterien im Gelenk bleiben, desto größer sind die Schäden und umso schwieriger wird die chirurgische Sanierung des Gelenkes. In einem frühen Stadium führe ich bei meinen Patienten zur Behandlung zunächst eine Wundreinigung und dann eine Gelenkspülung durch. Ebenso ist eine Antibiotikagabe sinnvoll. In manchen Fällen ist es aber auch erforderlich, die Prothese auszutauschen. Dies erfolgt in zwei Eingriffen, in günstig gelagerten Fällen auch in einem Eingriff. Bei der ersten OP ersetze ich die infizierte Prothese durch einen antibiotikahaltigen Platzhalter. Vier bis sechs Wochen später baue ich bei der zweiten OP dann das neue Gelenk ein.
Sollte eine Nachoperation immer die allerletzte Lösung sein?
Dr. Kipping: In jedem Fall. Tatsächlich kann die Ursachensuche bei Beschwerden des Patienten sehr komplex sein. Deshalb ist eine sorgfältige Untersuchung für den jeweiligen Einzelfall so wichtig. Dabei helfen Bluttests und Röntgenbilder sowie gegebenenfalls MRT- oder CT-Untersuchungen und Szintigrafie dabei, Komplikationen wie eine Infektion auszuschließen und den Sitz der Prothesenteile zu beurteilen. Und auch dann gilt: Eine OP-Indikation liegt nur vor, wenn die Ursache der Beschwerden genauestens diagnostiziert werden konnte und nur, wenn zu erwarten ist, dass ein Eingriff zur Besserung beiträgt. In seltenen Fällen gelingt es nicht, einen Grund für die Beschwerden zu finden. Dann sind die Erfolgsaussichten einer Nachoperation gering, und ich rate meinen Patienten dann zunächst ab. Meine grundsätzliche Empfehlung für Betroffene lautet: Sich am besten in die Hände eines ausgewiesenen Spezialisten begeben!
Zur Person:
Dr. Kipping hat sich auf dem Gebiet der Verschleißerkrankungen von Schulter, Hüfte und Knie spezialisiert und ist deutschlandweit durch die Etablierung der Yale-Technik bekannt.
Seine privatärztliche Sprechstunde findet in Gräfelfing in der Bahnhofstraße 5 im Erdgeschoss statt. Hier werden Privatversicherte, Zusatzversicherte und Selbstzahler behandelt.
Kontakt:
Dr. Robert Kipping
Privatsprechstunde
Bahnhofstraße 5 EG
82166 Gräfelfing
(089) 89 55 87 – 07