Ich hab Rücken! Verengung des Wirbelkanals macht Laufen zur Qual - Die Sonderseite mit Dr. Herold im Interview
Rückenschmerz ist eine der Volkskrankheiten Nummer eins. Wer aber schon lange Zeit Schmerzen hat, nur noch kurze Wegstrecken beschwerdefrei meistern kann und oft über bis in die Beine ausstrahlende Schmerzen klagt, leidet möglicherweise an einer Spinalkanalstenose. Das bedeutet so viel wie „eingeklemmter Nerv im zu engen Wirbelkanal“. Verengte Wirbelkanäle sind zunächst eine ganz normale Alterserscheinung, die sich nicht unbedingt zu einer Erkrankung entwickeln müssen. In manchen Fällen kann eine Spinalkanalstenose für Patienten jedoch sehr schmerzhaft sein und sie im Alltag enorm einschränken. Zwei von zehn über 60-Jährigen sind betroffen. Doch die Verengung des Wirbelkanals ist ein schleichender Prozess, der sich in vielen Fällen aufhalten lässt. Wie das geht und was Betroffene sonst noch wissen müssen, besprechen wir mit Dr. Tamara Herold, Rückenspezialistin und Expertin für die Wirbelsäule in der WolfartKlinik.
An welchen Beschwerden erkenne ich eine Spinalkanalstenose?
Dr. Herold: Typische Beschwerden sind ausstrahlende Schmerzen in die Beine, die bei längerem Gehen deutlich zunehmen. Die meisten Patienten trauen sich deshalb von Vornherein nur noch kurze Wegstrecken zu. Ist die Lendenwirbelsäule betroffen, werden die Schmerzen in aller Regel beim Hinsetzen schlagartig besser, vor allem, wenn Rückengeplagte den Oberkörper nach vorne lehnen. Stehen bleiben oder eine gebeugte Haltung führen dann ebenfalls zu einer Entlastung. Oft können Betroffene nach kurzer Zeit wieder weiterlaufen. Im Frühstadium treten auch Kribbeln oder Schwächegefühle auf.
Welche Ursachen hat die Wirbelkanalverengung?
Dr. Herold: Mit zunehmendem Alter verlieren die Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern Flüssigkeit und damit auch an Höhe. Die Wirbelkörper haben so einen größeren Bewegungsspielraum. So können Knochenwucherungen entstehen, die den Spinalkanal immer weiter einengen und Druck auf die Nervenfasern ausüben. Wird der Druck zu groß, kann dies mitunter zu großen Schmerzen, Taubheitsgefühlen, Lähmungserscheinungen und anderen Nervenausfällen führen. Aber auch chronische Bandscheibenvorfälle, Entzündungen oder Überbelastungen können eine Wirbelkanalstenose bewirken. Übergewicht oder eine schwache Rückenmuskulatur sind noch zusätzlich begünstigende Faktoren.
Welche Behandlung empfehlen Sie gegen die Beschwerden?
Dr. Herold: Anders als bei einem einfachen Bandscheibenvorfall kann sich eine Spinalkanalstenose nicht zurückbilden. Auch die Ursache der Beschwerden, also die knöcherne Einengung des Spinalkanals, lässt sich nicht rückgängig machen. Dennoch können Betroffene einiges dafür tun, dass sich die Beschwerden nachhaltig verringern. Im Anfangsstadium der Stenose sprechen die allermeisten Patienten sehr gut auf eine konservative Therapie mit einer Kombination aus Physiotherapie und Schmerztherapie an. Bei sehr starken Schmerzen kann eine entzündungshemmende Kortisonspritze in den Spinalkanal für Linderung sorgen. In manchen Fällen kann das kurzzeitige Tragen eines Stützkorsetts (Orthese) sinnvoll sein.
Haben Sie Tipps, die Betroffene im Alltag umsetzen können? Welche Übungen können Betroffene auch zuhause machen?
Dr. Herold: Mein Tipp ist ganz klar: Sportlich aktiv bleiben! Denn es gilt: Je trainierter die Rückenmuskulatur, desto weniger deutlich werden die Anzeichen einer Stenose, also desto weniger spüren Betroffene ihre Schmerzen. In der Physiotherapie lernen die Patienten zunächst unter Anleitung, wie sie ihre Muskulatur mit gezieltem Krafttraining und Gleichgewichtsübungen stärken können, ohne den Rücken zu belasten. Ein regelmäßiges Training der Bauch- und Rückenmuskeln bewirkt, dass sich die Hohlkreuz-Position der Lendenwirbelsäule minimiert und damit der Spinalkanal weitet. Darüber hinaus empfehlenswert ist sanftes Yoga unter professioneller Anleitung, Fahrradfahren oder Nordic Walking. Zuhause können Patienten zum Beispiel ihren Rücken stärken, indem sie auf einem Bein stehend Zähne putzen. Die Ausgleichsbewegungen kräftigen die Tiefenmuskulatur. Und: Etwaiges Übergewicht sollten Patienten möglichst abbauen, um die Beanspruchung der Wirbelsäule zu reduzieren.
Wann ist ein Eingriff ratsam?
Dr. Herold: Ich empfehle eine Operation erst, wenn sich die Schmerzen durch eine konservative Behandlung mit Krankengymnastik und Schmerzmitteln nicht mehr lindern lassen und der Leidensdruck des Patienten groß ist. Es gibt aber auch Fälle, bei denen eine Operation sofort notwendig ist. Etwa, wenn Nerven gefährdet sind, Harn- und Stuhlinkontinenz auftreten oder Patienten bereits unter Lähmungserscheinungen leiden. Ziel der Operation ist es, den Druck auf die Nerven zu vermindern und gleichzeitig die Stabilität der Wirbelsäule zu erhalten. Bei der OP erweitere ich dann den Spinalkanal (Dekompression). So haben die Nerven wieder Platz. Generell haben Wirbelsäulen-OPs einen schlechten Ruf, da früher große Hautschnitte erforderlich waren – zusammen mit großen Knochen- und Muskelverletzungen. Das sorgte in manchen Fällen für eine Instabilität der Wirbelsäule. Davor brauchen Betroffene aber keine Angst mehr zu haben. Heute kommen schonende minimal-invasive OP-Methoden zum Einsatz. Verschraubungen und Versteifungen der Wirbelkörper sind meist nicht mehr nötig. In der Regel ist der Patient bereits direkt nach der OP von den Schmerzen der Spinalstenose befreit und die Gehstrecke verbessert sich nach kurzer Zeit, so dass der Patient bald wieder ohne größere Einschränkung laufen kann.
Unser Angebot:
- Mikrochirurgische Wirbelsäulenchirurgie
- Konservative Orthopädie
- Interventionelle Schmerzbehandlung
Kontakt:
ZFOS – Zentrum für Orthopädie & Sportmedizin
Dr. Tamara Herold
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