Bandscheibenvorfall: gängige Vorurteile unter der Lupe - Die Sonderseite mit Dr. Noe im Interview
Wer viel sitzt, schwere Lasten hebt, übergewichtig ist oder den Rücken falsch belastet, setzt den Bandscheiben zu. Halten sie der Belastung nicht mehr Stand, kommt es zum Bandscheibenvorfall. Erste Hinweise auf einen Vorfall können Rückenschmerzen sein, die ins Bein oder in den Arm ausstrahlen. Doch um den Bandscheibenvorfall und seine Behandlung ranken sich viele Mythen. So manches Vorurteil erweist sich bei näherem Betrachten jedoch als falsch. Licht ins Dunkel bringt Dr. Stephan Noe. Er ist leitender Arzt und Rückenspezialist in der WolfartKlinik.
Probleme mit der Bandscheibe haben doch nur ältere Menschen. Stimmt das?
Dr. Noe: Nein. Richtig ist zwar: Je älter ein Mensch wird, desto weniger gut können die Bandscheiben im Inneren Wasser aufnehmen. Dadurch verliert der sogenannte Gallertkern an Elastizität und wird zunehmend spröde, er verschleißt also. Dies betrifft auch den äußeren, stützenden Faserring. Er wird im Laufe der Zeit ebenfalls von feinen Rissen durchsetzt. Aber es gilt: Obwohl durch den Alterungsprozess der Bandscheibe eher Ältere an Vorfällen leiden, können auch junge Menschen Probleme damit haben. Hierbei spielen unter anderem Übergewicht und eine falsche Belastung beziehungsweise eine Überlastung der Wirbelsäule eine Rolle. Aber auch die Gene können einen Bandscheibenvorfall bei Jüngeren begünstigen.
Ein Bandscheibenvorfall passiert einfach, da kann man im Vorfeld nichts tun. Richtig?
Dr. Noe: Nein. Eine starke Rückenmuskulatur und das Vermeiden großer Belastungen der Wirbelsäule sind die wichtigsten Faktoren, um einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Hierfür kann jeder Einzelne einiges tun. Sehr wichtig ist zum Beispiel Bewegung. Denn mit geeigneten Sportarten wird die Rücken- und Bauchmuskulatur gestärkt und die Wirbelsäule entlastet. Besonders rückenfreundlich ist etwa Schwimmen oder Radfahren mit erhöhtem Lenker sowie angepasstes Krafttraining. Übergewicht zu vermeiden, entlastet ebenfalls die Wirbelsäule. Und auch die richtige Matratze trägt dazu bei, dass die Wirbelsäule nachts nicht in einer ungünstigen Haltung liegt. Wer beruflich viel im Sitzen arbeitet, sollte auf einen rückenfreundlichen Arbeitsplatz achten. Hilfreich sind etwa ein ergonomischer Stuhl, regelmäßiges Wechseln der Position zwischen Sitzen und Stehen, zwischendurch öfter aufstehen, sich strecken und ein wenig bewegen. Und grundsätzlich gilt: Schwere Lasten, etwa einen Wasserkasten, niemals mit krummem Rücken hochwuchten, sondern beim Heben mit geradem Rücken in die Knie gehen.
Nach einem Bandscheibenvorfall ist erstmal Schonung und Bettruhe angesagt. Was ist dran?
Dr. Noe: Falsch. Bettruhe ist sicherlich nicht länger als vier Tage sinnvoll. Bei längerer Schonung ist sogar eher eine Verschlechterung zu erwarten. Betroffene sollten nach einem Bandscheibenvorfall also keineswegs körperlich inaktiv bleiben. Im Gegenteil: Bestimmte Bewegungen beschleunigen die Heilung. Die akute Phase bei einem Bandscheibenvorfall dauert etwa vier bis sechs Wochen. Bereits in dieser Zeit ist in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt ein passendes Bewegungsprogramm empfehlenswert, teilweise Physiotherapie. So werden Kraft und Beweglichkeit erhalten, ohne jedoch die betroffene Nervenwurzel zusätzlich zu reizen. Nach dieser Phase hat der Körper im besten Fall das ausgetretene Gewebe so weit resorbiert, dass der Rücken wieder voll belastbar ist.
Eine konservative Therapie behandelt nur die Symptome. Korrekt?
Dr. Noe: Stimmt. Eine konservative Therapie ist immer eine Form der Schmerztherapie zur Reduzierung der Schmerzen. Sie greift nicht bei der eigentlichen Ursache für einen Bandscheibenvorfall an. Trotzdem müssen nur wenige Bandscheibenvorfälle operativ behandelt werden. Die Entscheidung für oder gegen eine OP trifft der Arzt in Abstimmung mit dem Patienten aufgrund des individuellen Krankheitsbildes und der Schmerzen des Betroffenen. Bei bis zu 90 Prozent der Patienten bessern sich die Beschwerden mithilfe einer konservativen Therapie oder verschwinden nach einigen Wochen sogar vollständig. Dazu zählen etwa schmerzlindernde Medikamente, eventuell Infiltrationen, Wärme, Physiotherapie und Lagerungsmaßnahmen – zum Beispiel ein Stufenbett. Entscheidend für die Auswahl einer geeigneten Therapie sind die Beschwerden und die Belastbarkeit des Rückens.
Bandscheiben-OPs haben einen schlechten Ruf. Zu Recht?
Dr. Noe: Nein. Aber tatsächlich fürchten manche Patienten, nach der OP im Rollstuhl zu enden. Andere befürchten anhaltende Schmerzen aufgrund von Narben an der Wirbelsäule. Für Betroffene aber wichtig zu wissen: An der Lendenwirbelsäule befindet sich meist kein Rückenmark mehr. Das Risiko einer dauerhaften Lähmung ist daher so gering, dass es in Studien nicht messbar ist. Und bei der OP entstehen zwar Narben. Aber es lassen sich keine Beschwerden nachweisen, die unmittelbar mit Narbengewebe zusammenhängen. Zudem kann die Narbenbildung durch eine schonende Operationstechnik vermindert werden. Auch eine häufig geäußerte Befürchtung ist, dass die Beschwerden nach der OP nur noch schlimmer würden. Dieses Vorurteil ist aus fachlicher Sicht schlicht und ergreifend falsch. Studien belegen, dass eine Operation gegenüber konservativen Behandlungsmöglichkeiten schnelle und nachhaltige Erfolge erzielt. Außerdem sind operierte Patienten schneller beschwerdefrei und auch wieder schneller in den Alltag und in das Berufsleben integriert. Grundsätzlich empfehle ich bei einem Bandscheibenvorfall immer eine eingehende Untersuchung und Beratung durch einen ausgewiesenen Spezialisten.
Unser Angebot:
- Bandscheibenoperationen
- Wirbelsäulenchirurgie
- Konservative Orthopädie
- Interventionelle Schmerzbehandlung
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ORTHO-M
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