À la carte essen im Krankenhaus: Stefan Heinrichmeyer verwöhnt als Küchenchef die Patienten der Gräfelfinger WolfartKlinik – variabel und gerne fettreduziert
Krankenhaus-Essen hat keinen guten Ruf: Dünne Süppchen, blasse Käsescheiben, Tütentbrot, matschige Pasta jenseits von „al dente“ oder künstlich aromatisierte Fruchtjoghurts tragen nicht wirklich zum Genesungsprozess bei. In der Gräfelfinger WolfartKlinik klingt der Speiseplan ganz anders. Da wird „gebratenes Seehechtfilet auf cremigem Gemüsegraupen mit gegrilltem Spargel und Estragonschaum“ serviert. Oder „mit Blattspinat und Meerrettich gefüllte Crêpes auf Austern Sauce“. Wer Privatpatientenstatus genießt, kann sich auch Garnelenspießchen mit Miso-Mayonnaise und buntem Seegrassalat servieren lassen. In der Klinik kocht Küchenchef Stefan Heinrichmeyer mit seinem Team jeden Tag frisch, saisonal und regional. Seit zwölf Jahren trägt die Küche ein Bio-Zertifikat. Krankenhaus geht also auch anders.
Im Untergeschoss der Klinik wird von drei Uhr morgens an geschnippelt und gekocht. Zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereiten Frühstück, Mittagessen und Abendbrot für die Patientinnen und Patienten vor. In puncto Essen profitiert die Klinik davon, dass sie ein kleines Haus ist. Rund 90 Mahlzeiten werden mittags serviert, das eröffnet die Möglichkeit, beim Einkauf und bei der Zubereitung mehr Qualität abliefern zu können.
Stefan Heinrichmeyer führt die Klinikküche seit zweieinhalb Jahren. Zuvor hat er schon in großen Restaurants und Gastronomiebetrieben gekocht, wo auf dem Teller mit Pinzette dekoriert wird. Die Krankenhausküche dagegen ist eine Herausforderung: mit einem begrenzten Budget, Frisches und Wohlschmeckendes für frisch Operierte, Kranke oder Lädierte zu zaubern. Fettreduzierte Speisen müssen also auf den Teller, denn die Patienten bewegen sich kaum, erklärt Heinrichmeyer. Wer vom Arzt auf Diät gesetzt wurde, benötigt leichte Kost, auch laktosefreies Essen wird gewünscht, und am ersten Tag nach der OP sollen auf keinen Fall blähende Speisen serviert werden. Jeden Tag können Kassenpatienten aus drei Menüs wählen, Privatpaitenten können noch ein viertes wählen.
Seit Heinrichmeyer das Küchenregiment führt, hat er zusätzlich für Privatpatienten die A-la-Catre-Bestellung eingeführt. Privatpatienten können sich selbst ihr Menü zusammenstellen und sich auch Ayurvedische Gemüsebowl mit Cocos-Espuma schmecken lassen oder gebratene Brust von Schwarzfederhuhn.
Der Küchenchef plant die Speisekarte fünf Wochen im Voraus und gibt die Bestellungen an die Lieferanten heraus. Gemüse kommt aus der Region, die Nudeln von einem Pasta-Hersteller in Unterhaching. Fisch aus deutscher See und die Entenbrust aus bayrischer Schlachtung. Seit einiger Zeit ist für Heinrichmeyer eine weitere Herausforderung hinzugekommen: die deutlich gestiegenen Lebensmittel- und Energiekosten. „Es bleibt kein großes Budget zu kalkulieren“, das ist sehr schwierig geworden.“ Bis jetzt schafft Heinrichmeyer mit seinem Team dennoch, alle Herausforderungen mit dem Teller zu vereinen, der Appetit macht.
„Vier Komponenten" sind die Formel: Fleisch oder Fisch, dazu eine Sättigungsbeilage, etwas Grünes und ein Schaurnsößchen - „Espuma", wie der Küchenchef sagt, „das geht auch mit wenig Fett und sieht elegant aus". Als Beispiel drapiert er gesottene Ochsenbrust auf das Bouillongemüse, arrangiert Petersilienkartoffeln dazu, richtet mit Meerrettichsauce an und garniert mit ein wenig Kressesalat. Wenn Patienten dann den Deckel heben, meint so mancher, im Hotel anstatt im Krankenhaus gelandet zu sein.
von Annette Jäger Süddeutsche Zeitung